Eine Fachtagung in Wien thematisierte menschliche Vielfalt als Quelle von Reichtum und von Konflikten.
Zum ersten Mal werden Unterschiede als Ressource gesehen!“, meinten die einen. Andere wiederum entdeckten „alten Wein in neuen Schläuchen“.
Auf jeden Fall herrschte reges Interesse an der Fachtagung „Managing Gender and Diversity“, zu der die Volkshochschule Ottakring in Wien Mitte Februar geladen hatte. Ein buntes Publikum aus UnternehmensberaterInnen, TrainerInnen, Frauen- oder Integrationsbeauftragten, SozialpädagogInnen und anderen mehr widmete zwei Tage der Frage, wie „Vielfalt“ betriebswirtschaftlich relevant genutzt werden könne. So verstandene Vielfalt, „Diversity“, reicht von den Unterschieden im Bereich der Persönlichkeit über Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion, Einkommen, Familienstand bis zur Position in der Firma.
Das „Diversity“-Konzept stammt ursprünglich aus den USA. In der US-Version steht dabei nicht die Veränderung der Gesellschaft, sondern die wirtschaftliche Notwendigkeit im Vordergrund: Stichworte Globalisierungstendenzen, internationale Kooperationen, Fusionen, globale Märkte, internationale Kunden, multikulturelle Belegschaft. In den USA beschäftigen 98 Prozent der erfolgreichsten Unternehmen (erfasst von der Fortune-500 Liste) „Diversity“- Beauftragte. Wohl in erster Linie, um sich vor teuren Diskriminierungsklagen zu schützen. Ein entsprechendes Anti-Diskriminierungsgesetz wie in den USA ist in der EU erst in Vorbereitung.
Wozu brauchen wir also hier und jetzt in Europa das Konzept von „Diversity“?
„In Europa würde ich demographisch argumentieren. Wir haben einen starken Bevölkerungsrückgang und es geht um eine vernünftige Integration. Wenn sich Unternehmen nicht rechtzeitig darauf einstellen, wird es teuer“, meint Iris Koall, Wirtschaftswissenschaftlerin im Bereich Frauenstudien an der Universität Dortmund. Gemeinsam mit den SozialpädagogInnen Verena Bruchhagen und Friederike Höher hat sie das „Diversity“-Konzept für deutsche Verhältnisse adaptiert und möchte es auch in Österreich bekannt machen.
Durch „Diversity“ komme eine Vielfalt an Perspektiven und verschiedener Informationsnetzwerke in Teams, die sich dadurch anderer Ressourcen aus anderen Kontexten bedienen könnten.
Doch „Diversity“ sei auch eine Quelle von Konflikten, ergänzt Friederike Höher. Und schließlich beschäftige sich jedeR ArbeitnehmerIn im Schnitt schon eine Stunde am Tag mit Konflikten.
Und warum die Betonung auf „Gender“ – also auf die Beziehungen der Geschlechter innerhalb des „Diversity-Konzeptes? „Hierzulande bestimmt eben die Kategorie ‚Gender‘ den Blick auf ‚Diversity‘“, meint Michaela Judy, Direktorin der Wiener Volkshochschule Ottakring, die auch einen Ausbildungs-Lehrgang zum „Diversity-Berater“ anbietet. „Es geht nicht darum, ein universales, sofort anwendbares, Erfolg versprechendes Konzept zu präsentieren“, betont Verena Bruchhagen. Man versuche, betriebswirtschaftlich relevante Konzepte in sozialpädagogischen Kontexten zu diskutieren. Das Kostenargument ermögliche den Einstieg in den Profit-Bereich. Dann könne man dort die Themen Toleranz oder interkulturelles Lernen über rein ökonomische Grundlagen hinaus erweitern. Schließlich gewinne der Erwerbsarbeitsbereich immer mehr an Bedeutung. Bruchhagen: „Es geht um die Politisierung dieser Kontexte.“
Und genau diese muss in der Diskussion um „Diversity“ noch an Konturen gewinnen. Eine der TeilnehmerInnen brachte das diesbezügliche Unbehagen auf den Punkt, als sie forderte: „Vor lauter Diversity nicht den Blick für Unterdrückungsstrukturen verlieren!“